LIEDERMACHER & MITTELALTER

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Liedermacher

Der ehemals als Herman Düne bekannte Künstler heißt nun Herman Dune, weshalb wir besorgt auch mit radikalen Brüchen in seiner Musik rechnen. Aber keine Sorge, er bringt ein buntes Gemisch, wie eh und je. Herman Dune ist Franzose mit schwedischer Mutter, schreibt seine Lieder auf Englisch, wohnt offenbar derzeit in Berlin, was natürlich alles verwirrend ist, sich musikalisch aber bestens auflöst. Er spielt zusammen mit seinem Bruder David Ivar Düne, und auch mit anderen Leuten … das Cover wurde von einem besonders kreativen Wesen entworfen, Schwarz auf Schwarz, Informationswert also eher minimal. Die Gebrüder Dune haben ihre Musik einst als Antifolk bezeichnet, sie singen aber durchaus folkig, gleich im ersten Stück werden Erinnerungen an Woody Guthrie wach, und in einigen späteren immer wacher, und wenn das kein hohes Lob ist! Im Stück „Crazy Blues“ dagegen entpuppen sie sich als die wahren Walzerkönige, und wenn es um Drogen geht, scheinen sie der Hippiezeit entsprungen zu sein, kurzum, eine wilde und schöne Mischung.

Herman Dune: The Portable Herman Dune, BB’Island, www.hermandune.net (GH)

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Liedermacher:

Nathan Johnston ist ein irischer Liederschreiber, der mit irischen Traditionen rein gar nichts am Hut hat, die Pressemeldung schreibt von „souligem Pop“, es klingt ein bisschen wie gutgemachte, abwechslungsreiche Barmusik. Die Hamburger Band The Angels of Libra passt da perfekt zu, und so kommt eine sehr gefällige Mischung dabei heraus: viel Trompete, Saxophon, Flügelhorn.

Die Texte sind dann oft ernst, junge Leute, die an Drogen geraten, Verschwörungstheorien, Fake News, und war wäre, wenn ich nie den Blues gehabt hätte? Dazu gibt es eine interessante Begegnung mit dem Erzengel Jophiel, zuständig für Weisheit, Schönheit und Hilfe in schwierigen Situationen. Nie von Jophiel gehört?

Kein Wunder, sie ist nämlich eine der ganz wenigen weiblichen Erzengel und wurde deshalb im Laufe der Jahrhunderte von sämtlichen Männerkirchen aus der offiziellen Liste der Erzengel verbannt. Also her mit Jophiel, ihr Lob erschalle, und allein, sie wieder bekannt zu machen, ist ein großes Verdienst dieser CD!

Nathan Johnston & the Angels of Libra, Waterfall Records, https://www.waterfallrecords.com (GH)

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Liedermaching:

Holger Saarmann kommt aus Hagen, aber das Schicksal hat ihn nach Berlin verschlagen, macht ja auch nix. Dort schreibt er also seine Lieder, und wie er das tut! Er hat Christof Stählins SAGO-Akademie absolviert und das merkt man. Nicht, dass er irgendwie epigonenhaft wäre oder so, typisch aber ist der Umgang mit Wörtern, wie er sie auf den Kopf stellt und ihnen einen neuen Sinn entlockt, wie er Redensarten entlarvt, und wie er sich bei allem virtuos auf allerlei Instrumenten begleitet, nennen wir hier nur Gitarre, Mandoline und Akkordeon. Die meisten Lieder sind von ihm, aber zwei alte Lieblinge gesellen sich dazu, Heines Lore-Ley und „Hoch auf dem gelben Wagen“ von Rudolf Baumbach. Man hätte meinen können, dieses Lied wäre für die nächste hundert Jahre von einem Bundespräsidenten nachhaltig zersungen, aber Holger Saarmann macht sich einfach eine andere Melodie, die sich wenig zum Schunkeln eignet, und zeigt, was für ein poetischer, feiner Text es eigentlich ist. Die eigenen Texte unseres Hagener Freundes, ach, auch die ein Genuss … so besingt er das Abenteuer (wie eins Christof Stählin, nur eben auf seine eigene Weise), erzählt, dass er früher Enid Blyton gelesen hat (sehr gut, wo sie doch gerade mal wieder als nicht politisch korrekt kritisiert wird), legt die Beichte des Minnesängers ab, ach, das ist alles so klug, so schön, so voller Herzensbildung. Mehr davon und zwar schnell! Holger Saarmann: Phantomzeit, Silberblick Musik, www.holgersaarmann.de (GH)

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Parzival

David the Hymn

130 Musiker aus 23 Ländern

Story, Konzept, Produktion, Musik

Thomas Olivier & Dieter Faber und viele andere

Sub-sounds.com 2 CDs

Kostbar aufgemacht ist die 1. CD der Bremer Klassik-Rock-Pioniere und eine der ersten CDs des wiederbelebten Hamburger Labels Hypertension.

Sie waren wohl die Ersten, die Rock mit Mittelalter, Klassik, Sagen und Legenden zu verbanden. Mit ihrer Musik fanden sie viele Anhänger, Fans und Freunde auch unter den Musikerkollegen der Elite Europas.

Lothar Siems, git+voc – Walter Quinbtus, viol, Badsds – Thomas Olivier  drums, voc. Dazu viele andere Instrumente brachten ihre CDs ab 1971 bei Teldec und RCA heraus. Sie wurden europaweit mit Lob überschüttet.

Auf dieser Konzept-CD vereinen sich nun 130 Musiker aus aller Welt zu einem multinationalen Chor und bringen ihre Meisterstücke ein. Durch dieses Miteinander entsteht eine Musiksammlung der Leckerbissen.

Einige Titel: Man in the Tower, Wind blows, When the night comes, Old Love, Cash Castle, Rain Dance, Liqueur Talk, Mighty Mouse, All my Love, Future Cities - Dazu eine Gescichte zum Davidsweg "The Path To David"

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Superlative verleiten immer zum Widerspruch – der feinste Liedermacher Kanadas soll James Keelaghan sein? Da fiele uns ja starke Konkurrenz ein, Ian Tyson, Gordon Lightfoot, um nur zwei der Lebenden zu nennen. Und schon nähert man sich dem armen James Keelaghan voller Überdruss, nur kann er ja nichts dafür, was die Presseheinis seiner Plattenfirma sich da aus den Fingern saugen. Wollen wir mal hoffen. Hier werden jetzt also keine Verlgeiche angestellt, es wird gehört. Und James Keelaghan lässt sich sehr gut hören. Er spielt Gitarre, nimmt Impulse aus allerlei Stilen auf – Blues, Gospel, Country, allgemein nordamerikanischer Folk.

Zu letzterem passend sind seine Themen; Krankheit, Depression, Hoffnung, aber auch Kritik an der Haltung, man müsse sich immer zusammenreißen und bis zum bitteren Ende durchhalten, man, so findet er, kann und soll auch mal aufgeben. Sein Lied „Before the morning sun“ handelt von Selbstjustiz, ein aus Verzweiflung zum Rächer und Mörder gewordener Mann sieht durch das Zellenfenster zu, wie sein Galgen aufgebaut hat, aber er bereut nichts. Keelaghan meint, das Lied hätte auch von Johnny Cash gesungen werden können, und da hat er recht, und das ist nun wirklich ein hohes Lob für diesen durchaus feinen kanadischen Songwriter

James Keelaghan: Second-Hand, Borealis, www.borealisrecords.com (GH)

Matthias Greulich alias Rokotak aus Bautzen hat hier sein zweites Album veröffentlicht. Musik und Texte erinnern entfernt an Element of Crime. Die Mitmusiker Lars Friedrich und Lex Hendrikson – Drums, Tomas Kreibich-Nawka - Keyboards leisten gute Arbeit. Gesanglich ist das hier sicher so gewollt, aber nicht ganz meine Welt. Die Texte sind manchmal schwer verständlich und etwas mulmig gemischt. Sicher aber etwas für Freunde und Fans.

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John Vincent III ist ein Liedermacher aus USA, genauer gesagt aus Kalifornien, und das hört man, hohe Stimme und so, alles sehr melodisch und ein bisschen melancholisch.

Angedeutet hippiehaft, aber die Titel der Songs sind viel folkiger als die Musik selbst: „Highway Woman“ und „Bluebird Singing“.

Er hat alle Lieder selbst geschrieben, und jemand, der einfach so „like a rolling stone“ schreibt, aber so, dass es nicht wie ein Klischee klingt, verdient auf jeden Fall Respekt!

Und sein hervorragendes Gitarrespiel bekommt das nächste Lob.

John Vincent III: Songs for the Canyon, www.johnvincentiii.com (GH)

Starkult Promotion, Merowingerstr. 57, 40225 Düsseldorf

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Sean Keel – A Dry Scary Blue

Dies ist eine reine Singer-Songwriter-Scheibe mit 10 Songs, etwa 40 Minuten lang. Instrumentenbegleitung ist meist mit Gitarre, unauffällig manchmal im Hintergrund zusätzlich eine Pedal-Steel-Gitarre, ein paar Songs sind aber auch mit Klavierbegleitung, bis auf die Pedal-Steel Gitarre sind alles akustische Instrumente.

Im Vordergrund steht aber immer Keels prägnante Stimme die bis auf das letzte Stück immer Tom-Waits-artig rau bis weinerlich gebrochen klingt, nicht jedermanns Sache. Wer das mag, kann die Platte aber durchaus genießen.

Was mir nicht so gefällt, sind die fehlenden Infos im Booklet, das zwar die Texte enthält, aber nichts über den Künstler und keine eventuellen Mitwirkende erwähnt. Wenn Keel alle Instrumente selber eingespielt hat (mit Playbackverfahren) wäre das eigentlich auch erwähnenswert, jedenfalls für die, die Sean Keel noch nicht kennen.

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„Dunkel wie die Nacht, rot wie die Liebe“, was für ein Presseinfotext, da möchte man doch glatt weiterdichten. Aber das kann Mathias Schüller viel besser, und auf seinem neuen Album geht es gleich mit dickem Wumms los, und zur dumpfen Trommel singt er im Stil des frühen Udo L #

– wunderbar, vielleicht würden nicht alle dem Presseinfo zustimmen, dass „mal heiß, mal feucht, immer leidenschaftlich“ verspricht, aber schön zu hören ist es allemal.

Gleich das zweite Stück ist dermaßen fein gereimt und hinreißend vorgetragen, dass man beim Hören unweigerlich zum Fan wird.

Alle Stücke hat er selbst geschrieben, und die „Lyrics“ (ach, Presseinfos, durchaus und immer wieder grauenhaft) sind ihm wichtig, lesen wir, und wir hätten es auch so gehört und wären begeistert gewesen.

Kleine Warnung: Folkig ist das alles gar nicht. Mathias Schüller: Dunkel:Rot, Timezone Records, www.timezone-records.com (GH)

Timezone, Weißenburger Str. 4, 49076 Osnabrück

Wenn man schon Tim Grimm heißt, muss man märchenhafte Musik machen. Und natürlich eine Menge Familie am Werk beteiligen, und so können wir Mitwirkende an dieser CD, die nicht Grimm heißen, mit der Lupe suchen. Das Cover, natürlich gezeichnet von Grimm, nicht von Emil Ludwig allerdings, sondern abermals von Tim, sieht auch schon gewaltig märchenhaft aus, ein schwarzweißgrauer Wald, in dem sich garantiert Hänsel, Gretel und mindestens drei Wölfe verstecken. Die Lieder hat Tim Grimm fast alle selbst geschrieben, melancholisch, wie es zum Waldbild passt. Mit rauer Stimme singt er über Dinge, die im Grunde alltäglich sind, die im Leben des einzelnen Menschen aber alles auf den Kopf stellen können. Bäume werden gefällt, die gefühlt immer schon da waren, Freunde sind plötzlich nicht mehr da, ein Kind stirbt, die Fehler früherer Generationen holen noch die Urenkel ein. Wenn es nicht melancholisch klingen soll, verlegt er sich auf Talking Blues, und das ist wunderbar, hört man gerade viel zu selten. In einem Lied muss ein Bücherregal ausgeräumt werden, der Sänger überlegt, welche Bücher er unbedingt mal wieder lesen muss. Ganz oben: Bound for Glory, von Woody Guthrie. Sollten wir alle tun. Und dabei Tim Grimm hören. Tim Grimm: Gone. Cavalier Records, www.timgrimm.com (GH)

 MOSAIK - LEDFOOT

LEDFOOT - COFFIN NAILS - NO BULLSHIT  = Gefeilte Nägel

Dieser Mix aus Rock, Gothic, Americana und Folk in der Tradition der Mörderballaden ist hörenswert.

Er verbreitet mit seiner Zwölfsaitigen die Stimmung, die heute viele Menschen der Welt empfinden durch die täglichen Nagelstiche der Medienmeldungen. Das geht bis ins Persönliche. Auch viele private Ereignisse und Erlebnisse werden so empfunden - wie Siche gefeilter Nägel. Und ein sensibler, oft zweifelnder Liedermacher und Musiker fasst das in Texte. Fast jenen Tag und präsentiert uns seine verdichteten Stimmungen.

Auf dem Foto sieht er verzweifelt aus. Das soll die CD auch ausdrücken. Und so findet er viele, die gleich empfinden, sicherlich nicht nur in den USA. Ich süre auch die Stiche dieser gefeilten Nägel sogar ohne Drogen, Alkohol...   h

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U.T.A. - No more, no less

Sparsam instrumentiert, mit Schwerpunkt auf teils mehrstimmigem Gesang kommen die in ihrer Rhythmik teils hypnotisch wirkenden Stücke ganz unprätentiös daher. Die Arrangements sind schlicht, durch die Dominanz der Stimme der Sängerin geprägt, aber durchaus abwechlungsreich. Die eine Gitarre als Instrument liefert eine solide Basis, ist aber eher dezent, eine weitere liefert sparsame Riffs als „Kommentare“ zum Gesang.

Die musikalischen Einflüsse kommen wohl aus Folkrock und Blues, ein wenig auch aus dem Latin, einige der verwendeten Rhythmen dürften einem durchaus bekannt vorkommen. Mit den 16 groovigen Liedern hat die CD eine Spieldauer von 47 Minuten.

Auch wenn nichts wirklich Neues geboten wird, so ist der Silberling doch angenehm zu hören. Sehr entspannend. Ausnahme Song Nr.5, „Otherwise I am fine“, der Streckenweise etwas hakelig daher kommt.

Pretty noise records PNR 041/LC 30173.  v-zero

Fantasy Folk Rock, Pagan Folk, mit deutschen Texten. Titel wie "Setzt die Segel", "Pan" oder "Insel am Rande der Zeit" sprechen für sich. Sicher etwas für Mittelalter Fans. Wer Bands wie Santiano mag, liegt auch mit dieser CD richtig.

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Dieter Vatter, das ist so einer, der viel bekannter sein müsste. Seit 1977 schreibt er Lieder, und nun hat er eine neue CD, die es verdient, tausendfach und mehr gehört zu werden. Es fängt ein bisschen jazzig an, mit einer Aufforderung zum Tanz, und eigentlich klingt er hier wie Degenhardt vor langer Zeit. Das soll jetzt nicht heißen, dass er kopiert oder sowas, es ist sicher einfach die Zeit, die beide geprägt hat. Dieter Vatter, der in einem Ort namens Dietersheim wohnt (wenn es ein Zufall ist, dann ist das noch schöner!), steht also einerseits für Lebensfreude, andererseits aber beobachtet er auch scharf die Abartigkeiten, die sich gerade mal wieder auftun. Titel wie „Corona“, „Aluhüte“ und „Straßenkleber“ sagen doch genug. Er kann sehr melodiös sein, dann wieder wütend, immer trifft er den Ton genau. Und wahr, wahr, wahr seine Mahnung: „Mit Nazis geht man keinen Schritt!“ Dieter Vatter: Liedermacher,

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (GH) Dieter Vatter, Walddachsbach 12, 91463 Dietersheim

Das vierte Album der Songschreiberin und Sängerin mit einer markanten Stimme. Die Musik: Exzellent und abwechslungsreiche Songs, komponiert und arrangiert gemeinsam mit dem Cellisten Christoph Schenker und hochprofessionell umgesetzt mit Band und Gastmusikern, mal fast kammermusikalisch, mal im Pop-Gewand oder auch jazzig, mal in kleinerer Besetzung, mal mit zusätzlichen Musikern, fast durchweg schwer und melancholisch daherkommend. Die Lyrik: Künstlerisch erstklassig, fordert sie den Zuhörer und will seine ganze Aufmerksamkeit. Die Themen der Songs: Vertreibung, Krieg, Flucht, Massensuizid, Tränen... Und da stellt sich die Frage: Wenn man auch von dem Gesamtkunstwerk (samt sehr sorgfältig gestaltetem Booklet) durchaus begeistert sein kann und muss, und Schmidt ganz sicher nicht eine Vertreterin  bekannten deutschen Allerwelts-Songwritings ist, sondern sich in puncto Niveau über alle Maßen heraushebt, stellt sich für mich hier die entscheidende Frage: Für wen, oder: warum schreibt man solche Texte?

   
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