Krimis

Frau Maier macht Dampf: Frau Maiers 5. Fall (Frau Maier ermittelt)

Frau Maier ist eine alte Bekannte (zuletzt FM 337), und bestimmt ist sie die sympathischste Privatermittlerin, die derzeit in deutschen Krimis Leichen im Keller findet. Oder diesmal in einem Swimming Pool. Frau Maier, die zu Beginn der Serie eher einsam und verhuscht wirkte, wächst immer mehr über sich hinaus. Nun geht sie gar auf Reisen, und zwar in ein Wellness-Hotel in der Steiermark. Natürlich nicht aus eigenem Antrieb, bei einem Preisausschreiben gab es eine Woche dort zu gewinnen, und Frau Maier muss die Reise für eine Freundin antreten, die sich das Handgelenk gebrochen hat. Luxushotel und Preisausschreiben, das klingt nach Erich Kästner und „Drei Männer im Schnee“, aber hier schneit es erst, als alles geklärt ist. An Verwicklungen aber braucht sich Kremser vor Kästner nicht zu verstecken, und die Romantik kommt auch nicht zu kurz, denn Frau Maier legt sich einen schicken grünen Badeanzug und pinken Nagellack zu. Kein Wunder, dass die Herren im besten Alter sich die Schnurrbartspitzen zwirbeln. Nur, wie gesagt, die Leiche im Swimming Pool - wie ist sie dort hingeraten und wer steckt dahinter, und war es überhaupt die erste Leiche, die das vermeintliche Wellnesshotel zu beklagen hat? Wie Frau Maier das alles klärt, ist ebenso witzig wie spannend beschrieben, ein Lesegenuss, wie alle Frau-Maier-Bücher. Jessica Kremser: Frau Maier macht Dampf, 279 S., 13,90. Pendragon, www.pendragon.de (GH)

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Spreewald, da denken wir doch eher an Gurken als an Morde. In diesem Buch werden dermaßen exzessiv Spreewaldgurken serviert, dass sie den armen Gästen fast zu den Ohren wieder rauskommen. Das liegt aber nicht daran, dass die Leute im Spreewald nicht mehr ganz bei Verstand wären – dieses gurkenreiche Menü wurde von einem Verleger aus Köln bestellt, der seine StarautorInnen und die seiner Meinung nach maßgebliche Rezensionsschar zu einem literarischen Wochenende eben in den Spreewald einlädt. In der Hoffnung auf schöne Artikel, auf Rezensionen, auf Verkaufserfolge.

Das geht natürlich alles schief, wir haben es hier ja schließlich mit einem Krimi zu tun.

Doch ehe der Mord geschieht, führen die Versammelten einen wahren Jahrmarkt der Eitelkeiten auf, sei es nun die Philosophin, die eine Ideengeschichte des Penis geschrieben hat und sich mit ihren Liebhabern grundsätzlich siezt, weil man das alles nicht so persönlich nehmen soll, oder der angejahrte Autor, der mit seiner schleimigen Altherrenerotik brilliert.

Mittendrin: Krimiautorin und Gelegenheitsdetektivin Linn Kröger. Die den Mord aufklären, aber feststellen muss, dass im Spreewald alle zusammenhalten, was Aufklärungen aller Art doch sehr behindert.

Witzig und spannend, und wer jetzt denkt, ja, ja, die Literaturszene, wird beim Lesen bald merken: Nur ein paar Namen und Requisiten austauschen, und schon sind wir mitten in der Musik.

Isabel Rohner: Gretchens Rache, Ulrike Helmer Verlag, 200 S., 14,-- www.ulrike-helmer-verlag.de (GH)

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Max Annas hat schon oft gezeigt, dass er sich an den exotischsten Orten auskennt: in der DDR, im Finsterwalde der Zukunft, im Südafrika der Gegenwart – und nun führt er uns in wirklich geheimnisvolle Welten: in die Eifel. Wo die Orte Körperich heißen (-ich-Endung weist auf keltische Ortsgründung hin), wo das Ältestenerbrecht in den Bauernfamilien viel böses Blut schafft, die Flurbereinigung nie verziehen wurde und die Glocken in der Karwoche nach Rom fliegen. Dann müssen die Kinder im Dorf mit Holzklappern die Glocken ersetzen, was in diesem Buch passiert. Es geht nämlich vor Ostern los. Sanne und Ulrike, die jugendlichen Heldinnen, haben allerdings noch ganz anderes zu tun. Es ist 1978, die Fußball-WM in Argentinien rückt näher, alle Kinder sammeln Fußballerbilder, aber immer fehlen welche. Weshalb die beiden kurzentschlossen im Postamt das RAF-Fahndungsplakat klauen und sich passende Fußballbilder herausschneiden. Dorfpolizist Reiter steht kurz vor einem Herzinfarkt: ein terroristischer Anschlag in seinem Revier! Dass gleich um die Ecke ein Mord passiert, ist darüber leicht zu übersehen. Aber wir haben ja Sanne und Ulrike, die von ihrem Aussichtsposten auf dem Hochsitz die Geschehnisse im Dorf im Auge behalten. Die Eifel, mit ihrer Nähe zu Luxemburg, Belgien und Frankreich, ist uraltes Schmugglerland, aber auch Fluchtroute, wobei wir wieder bei der RAF wären, und wie das alles zusammenhängt, und was das mit den fortgeflogenen Glocken zu tun hat, erfahren wir im neuen Krimi von Max Annas.

Max Annas: Der Hochsitz, 271 S., Rowohlt Verlag, 22,-- https://www.rowohlt.de/autor/max-annas-2368 (GH)

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Julia von Sandra Newman

Wer kennt nicht 1984, wenigstens vom Hörensagen? Orwells Dystopie über den totalen Überwachungsstaat. Die Geschichte von Winston Smith, der der Liebe in die Falle geht und zwar im doppelten Sinne, einmal verliebt er sich in Julia und diese Liebe bringt ihn in das Liebesministerium, wo O’Brien herrscht und ihn foltert. Denn im Liebesministerium bedeutet Liebe Hass. Dort zu landen ist nicht unbedingt schwer, denn es ist nahezu unmöglich nicht Denkkrim, Sexkrim oder sonst was für ein Krim zu begehen.

Sandra Newman nun, erzählt im Grunde die selbe Geschichte, nur halt aus der Sicht von Julia, die Maschinistin in der Fiktion ist, wo ihr auch Winston auffällt. Julia mauschelt sich so durchs System, macht Schwarzmarktgeschäfte, zeigt die richtige Form von Interesse am Staat und will einfach nur so geschmeidig wie möglich überleben. Doch durch die Maschen des Systems flutscht man nicht so leicht, und irgendwann steht sie vor der Alternative für die Partei als Spionin zu arbeiten, was ihr, genauso wie Winston, zum Verhängnis wird.

Sandra Newman hat Julia mit der Erlaubnis der Orwell Gesellschaft geschrieben, die Dialoge zwischen Julia und Winston, sowie Winstons Folterung, wurden eins zu eins übernommen. Die deutsche Übersetzung von Karoline Hippe orientiert sich an der Neuübersetzung von 1984 von Frank Heiberts, S. Fischer Verlag 2021.

Fazit in Neusprech: Doppelplusgut

Julia

Autorin: Sandra Newman

Übersetzerin: Karoline Hippe

Verlag: Eichborn

ISBN: 978-3847901563

Preis: 24,00 €

(Kabra)

Fluch_des_H.jpg.   Der Fluch des Hasen

Ein ganz anderes Märchenbuch

Wenn die tote Schwester des Nachts umgeht und nach ihrem Kind fragt, dann ist der Gedanke an die Brüder Grimm und „Brüderchen und Schwesterchen“ nicht weit – aber bei der koreanischen Autorin Bora Chung geht es hoch modern zu, und deshalb fragt die Schwester nicht „Was macht mein Kind, was macht mein Reh?“

Was der Bruder derweil treibt? Wird nicht verraten. Bora Chung bedient sich munter am internationalen Märchen- und Balladenschatz, immer wieder finden wir Vertrautes, und immer wieder fallen wir aus allen Wolken, weil es doch ganz anders ausgeht als erwartet.

Happy End und glücklich bis ans Ende ihre Tage? Eher nicht, eher Erlkönig, „in seinen Armen, das Kind ist tot.“

Aber oft ist auch die Frage, was denn überhaupt ein märchenhaft schöner Abschluss wäre. Ist es wirklich nur gut für das Dorf, von der Bestie befreit zu werden, der sie alle sieben Jahre ein Kind opfern müssen? Ist der Prinzessin tatsächlich damit gedient, den geliebten Prinzen unter unendlichen Anstrengungen von seinem Fluch zu befreien? Hat sich da schon mal irgendwer Gedanken gemacht?

Bora Chung tut es, und ihre Antworten sind umwerfend. Und es kann gewaltig modern werden, bei allen Balladenelementen – denn ist die unglücklich liebende Künstliche Intelligenz auf ihre Weise nicht auch eine Art verwunschener Märchenprinz? Und der Hase aus dem Titel? Der ist kein Prinz, aber niedlich ist er auch nicht, und wer immer schon einmal etwas über die noble Art des Verfluchens erfahren wollte, wird bei Bora Chung unschätzbares Wissen erwerben.

Bora Chung: Der Fluch des Hasen, Erzählungen, CulturBooks, 251 S., 24,--, übersetzt von Ki-Hyang Lee, http://www.culturbooks.de  (GH)

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Regionalkrimi, Pendragon Verlag, 283 S., 13.90 www.pendragon.de (GH)

Endlich ein neuer Krimi von Volker Pesch,

und auch hier schlagen wieder die Ostseewellen an den Strand, es gibt viel Lokalkolorit (diesmal vor allem von Warnemünde) und eine interessante neue Kommissarin, Doro Weskamp, die aus Kiel stammt und auch nach vielen Jahren in Rostock noch als Zugereiste gilt. Sie nimmt es aber gelassen hin, warum sollte es in Rostock anders sein als überall sonst? Natürlich geht es, wie immer in einem anständigen Regionalkrimi, um die Befindlichkeiten der Einheimischen, aber auch eben um mehr als das. Anfangs wird ein Traditionsschiff versenkt, ein junger syrischer Flüchtling, der sich an Bord befand, ertrinkt.

Galt der Anschlag dem alten Segler (Konkurrenten, die sauer sind, weil die Kundschaft die Traditionsschiffe vorzieht?) oder dem Geflüchteten? Natürlich ist alles ganz anders, und die Aufklärung führt die Kommissarin und uns damit viele Jahrzehnte zurück, zu den Sünden der Väter sozusagen. Die geradezu biblisch die nachfolgenden Generationen immer weiter heimsuchen. Stichwort. Kriegsenkel und der relativ neue Forschungsbereich der Epigenetik. Und weil es biblisch wird, hat der aus früheren Krimis von Volker Pesch bekannte Polizeiseelsorger Tom Schroeder ebenfalls einen Auftritt und gerät tiefer in die Ermittlungen, als ihm möglicherweise lieb ist.

Volker Pesch: Der letzte Grund, Pendragon Verlag, 283 S., 13.90 www.pendragon.de (GH)

Boris Meyn schreibt Hamburgensien. Als pensionierter Städteplaner ist er Fachmann und Historiker.

Mit seinen Krimis um Kommissar Bischof vervollkommnet der noch die historische Sicht Hamburgs, die Petra Oelkers so treffend in ihren Romanen schildert.

Boris Meyn schafft, was nur wenig schaffen: Seine Romane sind gute Literatur, sind ausgezeichnet recherchierte Hamburggeschichte und sie sind spannende Kriminalromane. 

Eine Serie, die überzeugt, bildet und ausgezeichnete Lektüre ist. 

Sehr zu empfehlen.  h

Rowohlt

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Mord in den Cotswolds …die Cotswolds, diese romantische englische Landschaft, bergen allerlei Möglichkeiten, schaurige Verbrechen zu begehen.

Wir haben die englische Autorin Rebecca Tope ja schon heiß empfohlen, und jetzt geht es weiter mit der Lobhudelei.

Es gibt eine ganze Serie von Cotswolds-Krimis, in der Hauptrolle: Thea Osbourne. Ihr Mann ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und nun muss sie sich in ihrem unwillkommenen neuen Leben zurechtfinden.

Um sich finanziell über Wasser halten zu können, andere Eindrücke zu bekommen und Zeit zum überlegen zu haben, verdingt sie sich aus Haus-Sitterin. Sie hütet also Haus, Garten, Tiere und was auch immer von wohlhabenden Leuten, die einen längeren Urlaub antreten wollen, in diesem Buch: eine Kreuzfahrt.

Kaum ist das Ehepaar, bei dem sie im ersten Buch einspringt, an Bord gegangen, schon findet Thea im Gartenteich einen Toten. Einwandfrei Mord, und sie war offenbar die Letzte, die ihn noch lebend gesehen hat. Er stand nämlich vor ihrer Tür, als Thea erst eine  halbe Stunde allein im Haus war – und die große Frage ist nun, was wollte er wirklich, außer sie im Dorf zu begrüßen? Denn er hätte eigentlich gar keine Zeit für Höflichkeitsbesuche gehabt, es war Melkzeit und er wurde dringend im Stall des familieneigenen Bauernhofs erwartet.

Einfach umwerfend, spannen und witzig ist dieser mit viel Ortskenntnis geschriebene Auftakt zur neuen Serie, und es ist schon abzusehen, dass die Lektüre süchtig macht.

Rebecca Tope: A Cotswold Killing, 414S., 7,99 £, http://www.rebeccatope.com/ (GH)

lebentot.jpg  Das schöne Leben der Toten von Milena Moser und Victor-Mario Zaballa

Jeder Mensch, egal welcher kulturellen Prägung, stellt sich irgendwann einmal die Frage: Was geschieht eigentlich nach dem Tod? … und beantwortet sie sich entweder mit: „Keine Ahnung!“ oder nach religiöser, kultureller Prägung. Meistens vermeiden die meisten Menschen es jedoch an den Tod zu denken, wobei dieser doch die einzige Gewissheit im Leben ist. In der mexikanischen Kultur werden die Toten gefeiert, sie werden am Diá de la Muertos eingeladen mit den Lebenden zu feiern. Genau genommen werden sie gelockt, denn die Verbindung zur Welt der Lebenden sind Essen, der Duft von Blumen und Freundschaft.

Doch es ist nicht nur dieser Tag, es ist diese generell andere, eher freundschaftliche Haltung dem Tod gegenüber, die zu diesem Buch geführt hat. Milena Moser, Schriftstellerin, Schweizerin und seit fünf Jahren in den USA ansessig und Victor-Mario Zaballa, bildener Künstler toltekischer Herkunft , leben zusammen, arbeiten zusammen, sind mittlerweile verheiratet und der Tod ist für sie beide keine abstrakte Möglichkeit in ferner Zukunft, sondern täglich präsent, denn Zaballa hat mehrere lebensbedrohliche Erkrankungen, die ihn weder in seiner Kreativität noch in seiner Lebensfreude behindern. So gestaltet er regelmäßig auf der SomArt in San Francisco einen Altar zum Dia de los Muertos und auch im Hause Moser-Zaballa werden die lieben Verstorbenen an diesem Tag mit Essen, Liebe und Blumen gelockt, einen Abend mit den Lebenden zu verbringen. Die Toten müssen gelockt werden, denn ihnen geht es nach mexikanisch/toltekischer Auffassung sehr gut in einer der vielen Jenseitsmöglichkeiten.

Es ist ein heiteres Buch, über Freundschaft, Liebe und Tod und alles was das Leben sonst noch ausmacht. Es kein langes Buch, gerade einmal 128 Seiten, illustriert mit Fotos von Victor Zaballas Altären und Zeichnungen, doch es ist auch ein gehaltvolles Buch und ein tröstendes. Ich kann es nur empfehlen.

Das schöne Leben der Toten von Milena Moser & Victor-Mario Zaballa, Verlag: Kein & Aber, ISBN 9783036958187, Preis 19,00 €

(Kabra)

Regionalkrimi. NACHTENGEL

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Eine Idee von Mord von Anne Holt

Kaum hat sich Selma Falk von ihrem 2. Fall –Ein notwendiger Tod-, den sie nur knapp überlebt hat, erholt, wird sie angeschossen, während sie mit zwei Freundinnen in einem Straßencafé sitzt. Linda, eine der Freundinnen, eine Parlamentsabgeordnete, wird getötet. Doch da Linda eher unscheinbar war, geht man zuerst davon aus, dass das Attentat Selma Falk galt, die sich ja so einige Feinde im Laufe ihrer Ermittlungen gemacht hat. Selma selbst hält es ebenfalls für möglich. Besonders, da sie einen Stalker hat. Mehrfach hat sie festgestellt, dass sich jemand in ihrer Wohnung aufgehalten und Dinge hinterlassen hat, die mit ihrer Kindheit in Verbindung stehen. Dann geschieht ein weiterer Mord: Eine Richterin wird erhängt aufgefunden und es kann keinesfalls Selbstmord gewesen sein.

Inzwischen bekommt der Journalist Lars Winther von seiner Chefredakteurin den Auftrag einer Ermittlung nachzugehen, die ein kürzlich verunglückter Kollege begonnen hatte. Lars ist erst nicht sehr interessiert, doch ein dem Ordner beigelegter USB Stick mit verschlüsselten Dateien, reizt ihn denn doch. Selma Falk, mit der er eine Art gegenseitige Hilfe-Übereinkommen hat, soll helfen. Dabei kommen sie Machtmissbrauch, Verschwörungen und Racheplänen auf die Spur.

Anne Holt schafft es immer wieder aktuelle politische Themen, mit einer spannenden Story zu verflechten. Auch im dritten Selma Falk Fall ist ihr das gelungen. Auch überraschend, wie Anne Holt es gelingt, nicht unbedingt sympathische Ermittlerinnen zu schaffen. Selma Falk ist oberflächlich betrachtet eine charmante, kluge, mutige Frau, aber sie ist auch opportunistisch, unehrlich und rücksichtslos. Eine ihrer Erkenntnisse in diesem Buch, frei zitiert:

Die Welt wäre ein besserer Ort, wenn die Menschen sich die Mühe machten, mehr zu lügen!“

So richtig zustimmen, kann ich ihr da nicht! Aber das Buch kann ich ehrlich empfehlen.

Eine Idee von Mord Autorin: Anne Holt Übersetzerin: Gabriele Haefs Verlag: Atrium ISBN: 978-3-85535-125-1 Preis: 23,00 € (Kabra)

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Lokalkrimi

Reinhard Rohn haben wir ja schon häufiger gelobt, und nun hat er einen neuen Krimi, natürlich aus Köln. Der Ermittler Schiller, den wir aus zehn früheren Romanen kennen, wird in diesem nur im Nebensatz erwähnt, denn  hier tritt der neue Romanheld auf, Robert Faller (die Älteren unter uns denken hier vielleicht an den Serienstar Robert Fuller und haben gleich ein Bild vor Augen …) Faller ist ein ehemaliger Starjournalist, der sich vor vielen Jahren aufgemacht hatte, um eine Verschwörung der Bilderberger aufzudecken – ihm waren Informationen zugespielt worden, diese Schurken wollten das Bargeld abschaffen. As damals unvorstellbar schien! Und es stimmte auch nicht, und der Schwindel flog auf und Fallers guter Ruf ar ruiniert. Seither schlägt er sich mit Aufträgen durch, die eigentlich eit unter seinem Niveau liegen, Firmenchroniken z.B. Zu Beginn des Buches ist er in einem elenden Zustand, seine Freundin ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und als ihn die Tochter einer Kollegin von früher aufsucht, weil ihre Mutter verschwunden ist, sieht er zunächst keinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen. Den sieht er auch nicht, als der ungeheuer reiche Bankier Wartenstein, der bei allem, was in Köln wichtig ist und Geld bringt, seine Finger mit ihm Spiel hat, ihm anbietet, für ein traumhaft hohes Honorar die Chronik der Bank zu schreiben. Und dabei war es doch Wartenstein, der Faller damals die Falle gestellt hat … Aber natürlich gehen ihm die Zusammenhänge nach und nach auf, und wir lernen, dass der Kölsche Klüngel noch viel ärger ist, als allgemein behauptet wird. Ein spannender Krimi also mit viel Witz und Lokalkolorit und einer Menge interessanter Typen, wie es sie – vielleicht - nur in Köln gibt (perfekt wäre der Lesegenuss, wenn der Autor endlich begönne, in Wennsätzen nicht mehr „würde“ zu schreiben!). Reinhard Rohn: Faller und der Pate von Köln, Emons Verlag, 287 S., www.emons-verlag.de, 14,-- (GH)

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Regionalkrimi

Die Region ist irgendwo in den Alpen, auf der österreichischen Seite, die Orte sind fiktiv, was sicher klug ist, es geht da wirklich extrem verbrecherisch zu. Es sind die Nächte um Silvester herum, ein Blick auf die Karte der Bezeichnungen im Atlas der deutschen Volkskunde verrät uns, dass „Rauhnächte“ vor allem dort im Süden üblich ist, im Norden gab es eher neutrale Bezeichnungen wie „die Zwölften“. Im Süden scheint auch das Brauchtum ausgeprägter zu sein, bekannt sind die kunstreich geschnitzten Masken, mit denen die Männer in den zwölf Nächten durch die Gegend laufen. Gleich zu Beginn des Buches wird das einem Silvestertouristen zum Verhängnis: Er spießt sich bei einem ungeschickten Sturz mit dem Horn seiner eigenen Maske auf und ist tot. Der Dorfpolizist tut das als Unfall im Suff ab und verschlampt auch gleich mögliche Beweisstücke. Der aus Salzburg herbeigerufene Kommissar (oder, wie es dort amtlich heißt: Major) hat da so einige Zweifel, ist der Kollege vor Ort wirklich unfähig, oder versucht er, den Dreck des Dorfes unter den Teppich zu kehren? Lisa, die in München arbeitet, besucht zur selben Zeit ihr Heimatdorf, um mit ihren Großeltern Frieden zu schließen, worauf die jedoch gar keinen Wert legen. Der Major stellt fest, dass schon mehrere Männer, alle im selben Alter, alle zur selben Freundesclique gehörig, bei überraschenden Unfällen verstorben sind. Lisa dagegen kann nicht begreifen, warum seit mindestens zehn Jahren während der Rauhnächte immer eine junge Frau aus dem Dorf verschwindet, zu Dreikönig wieder auftaucht, sich aber an nichts erinnern kann, oder will. Besteht womöglich ein Zusammenhang zwischen beiden Ereignisfolgen? Und warum zucken, als die 16 Jahre alte Katharina verschwindet, ihre Eltern nur mit den Schultern und sagen: „Die wird schon wiederkommen“? Natürlich gibt es Zusammenhänge zwischen den verschwundenen Frauen und den verunglückten Männer, wir haben es schließlich mit einem Kriminalroman zu tun, aber um die zu ergründen, müssen wir Lisa und Max (so heißt der Major) bei ihren hochdramatischen Ermittlungen begleiten.

Gerold/Hänel: Rauhnächte: Sie werden dich jagen. Fischer Verlag, 392 S., 11,90. https://haenel-buecher.weebly.com  (GH)

Vom Arabischen Frühling war in letzter Zeit viel die Rede, Rückblicke, was ist davon geblieben. Guter Grund, noch einmal einen Blick in einen Krimi zum Thema zu werfen, der zwar schon vor einigen Jahren erschienen, aber immer noch aktuell und immer noch lieferbar ist.

Sophie Sumburanes erster Krimi spielt zwar vor allem in Leipzig (viel Lokalkolorit), aber es gibt Verbindungen nach Kairo, und die sind viel enger als zunächst gedacht. Indiz: In beiden Städten gehen Täter wie Opfer im KFC essen, in beiden schmeckt es dort gleich scheußlich! Eine Geschäftsfrau wird ermordet, und alles weist daraufhin, dass der Mörder ein bei ihrer Firma angestellter ägyptischer Ingenieur ist. Natürlich ist das alles nicht so einfach, zumal da offenbar zwei Ägypter ein und ausgegangen sind, oder vielleicht doch nur einer? Warum sollte der dann aber unter zwei Namen auftreten? Und was hat er in Kairo gemacht, ehe er nach Leipzig gekommen ist? Dann ist da noch der Ex der Ermordeten, ein von Anfang an unsympathischer Macho mit dem Tenornamen Leander Lore – in welcher Verbindung steht der nun wieder zu allem?

Kommissarin Charlotte Petzold hat mehr als genug zu tun, um diesen Fall zu klären – und ihr neuer Assistent Mario Lasslo erkennt, dass das Polizistenleben ganz anders ist, als er erwartet hatte.

Ein neuer Krimi von Sophie Sumburane ist für nächstes Jahr angekündigt, hoffentlich wieder mit diesem hinreißenden Duo!

Sophie Sumburane: Gefährlicher Frühling, Pendragon, 280 S. 12.99 www.pendragon.de (GH)

Gunter Gerlach ist ein Hamburger Autor von Kriminalromanen mit überraschender Wendung und von Erzählungen mit groteskem Schluss. Außerdem ist er der Erfinder der im ganzen Land berühmten Lesungsreihe Literaturquickies. Nun ist er schwer erkrankt, und über Crowdfunding haben seine Fans dafür gesorgt, dass ein letztes Buch erscheinen kann. „Ein falsches Wort und du bist tot“ versammelt Erzählungen, einige von denen, nach denen das Publikum auf Lesungen verlangte wie nach einem Superhit, und viele bisher unveröffentlichte. Die Geschichten entführen uns u. a. in eine nicht allzu ferne Zukunft, wo die Obrigkeit die Wohnungen auf Sauberkeit untersuchen lässt und wo niemand allein wohnen darf, wer keine Beziehung hat, gilt als verdächtig. Was aber machen die, denen einfach keine Zweisamkeit gelingen will? Bei Gunter Gerlach finden sie natürlich eine Lösung, auf die niemand sonst gekommen wäre. Ein betrogener Ehemann wird mit einer Scheibe Schinken aus dem Kamin gelockt – das mag verwirrend klingen, aber bei Gunter Gerlach ist dieses Vorgehen von überzeugender Logik.

Des Autors Vorliebe für Krimis kommt in der längsten Erzählung des Buches zum Ausdruck: Ein Roadmovie, in der die Helden durchs Ruhrgebiet gondeln und unter dem Vorwand, Hering in Senfsoße zu brauchen, Supermärkte ausrauben (was natürlich auch nicht ganz so verläuft, wie die kriminellen Herren es sich gedacht haben, zumal, wenn der Laden gerade nur Hering in Tomatensoße im Angebot hat). Wir erfahren, wie das wirklich war, als Abel seinen Bruder Kain umgebracht hat; dass es nämlich so war und nicht andersrum, und wie gefährlich es sein kann, wenn Vorname und Nachname einer Person nicht zueinander passen. Hinten auf dem Cover ist Gunter Gerlach zu sehen, mit einem Hund aus einer Mauer hervor. Wer im Französischunterricht interessante Texte gelesen hat, denkt hier an Marcel Aymé und „Der Mann, der durch die Wand gehen konnte“, und bestimmt haben Aymés Erzählungen den jungen Gunter Gerlach irgendwann inspiriert. Seine Personen sprechen jedenfalls dem Wein so gern zu wie die von Marcel Aymé, und so oder so, die Geschichten machen süchtig, sie machen den Abschied von diesem wunderbaren Autor doppelt bitter und sind doch ein großer Trost und ein reines Lesevergnügen.

Gunter Gerlach: Ein falsches Wort und du bist tot. Erzählungen. Literatur Quickie Verlag, 978-3-945453-76-6, 19,-- https://www.literatur-quickie.org/ GH)

   
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