Profolk

Folkmusik in Deutschland bedeutet heute eine enorme Vielfalt an Kulturen und aufgegriffenen musikalischen Traditionen. Unsere Welt ist durch das Internet und große Möglichkeiten internationalen Austausches erfahrbarer geworden – auch für Musiker, die sich traditioneller Musik zuwenden.

Der Profolk e.V. versucht, den verschiedenen Interessen von Musikern, Veranstaltern und Hörern nachzukommen und über Tendenzen der Szene zu informieren. 2014 erschien der Sampler: „Walzer, Schottisch, Poloness – Folkmusik aus alten Handschriften“, der den neuen innovativen Umgang mit Tanzmusikhandschriften des 18. und 19. Jahrhunderts dokumentierte. Es wird hier erkennbar, dass die deutsche Szene musikalisch auf dem Weg in neue Qualitäten ist, dass ein Verständnis im Zusammenspiel von Ausdruck, Tanzbarkeit, Groove und Ideenreichtum existieren.

Der neue Sampler: „Mundwerke – Dialekte und Regionalsprachen im deutschen Folk“ – der Ende 2015 veröffentlicht wird - stellt das Lied in den Mittelpunkt des Hörbaren. Anders als die traditionellen Tanzmusiken war das Lied das eigentliche Medium des Folk in Deutschland seit den 1970er Jahren. Mit dem Lied kann man Geschichten erzählen, politische Meinungen ausdrücken, zum Handeln aufrufen, Gemeinschaft zelebrieren. Genau das will Folkmusik.

Der heutige Folkmusiker kann auf eine Unmenge Material zurückblicken, das in Volksliedsammlungen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts herausgegeben wurde. Das Volkslied ging Hand in Hand mit der bürgerlichen Emanzipation und nationalen Selbstfindung der Deutschen.

Die Romantik führte das einfache Lied in die Salons, und Autoren schrieben neue Lieder im „alten“ Stil. Volkslieder dienten der Gesangsbildung in Schulklassen und wurden Bestandteil deutscher Lehrbücher. Sie wurden vereinheitlicht – sowohl in Sprache als auch in der Musik. Volkslieder wurden dann auch Bestandteile des kulturellen Ausdrucks des deutschen Kaiserreichs und der Nazidiktatur. So verbindet man mit ihnen häufig das abgelegte Übel der Vergangenheit und das Biedere schlechthin.

Dabei existierten unabhängig von Schulbüchern, nationalen Ideen und Fantasien bürgerlicher Sehn-süchte andere Lieder – die es nie zum Schulstoff gebracht haben und die nur selten zum „Volkslied“ geadelt wurden. Diese aufsässigen, „schmutzigen“, einfachen, naiven, schmucklosen Lieder erneuern sich im Alltag des Singens immer wieder, haben unterschiedlichste Versionen und Begleitformen. Viele dieser Lieder wurden und werden in den Mundarten und Sprachen gesungen, die man in der Gesangsrunde oder auf dem Markt sprach und spricht. Sie sind Ausdruck regionaler Tradition.

Als sich Folkmusik in den 1970er Jahre als Genre formierte, fanden Mundarten und Regionalsprachen recht schnell Einzug in das Repertoire der Gruppen und Solisten. Liederjan, Moin oder Hannes Wader sangen Plattdeutsch und vermittelten damit, dass diese Regionalsprache dazu geeignet war, das Lebensgefühl der „Folkies“ zu transportieren.

Seitdem bilden Mundarten und Regionalsprachen feste Bestandteile des Folks – man singt Bayerisch, Thüringisch, Schwäbisch oder Kölsch. Auch historische Sprachen finden ihren Niederschlag – Hölzerlips veröffentlicht 1978 die Platte „Jenischer Schall“, Ougenweide entdeckt mittelalterliches Deutsch und Zupfgeigenhansel singt Jiddisch.

Auch in der Gegenwart sind Mund-arten und Regionalsprachen fester Bestandteil des Repertoires von Künstlern im Bereich der Folkmusik in der ganzen Republik. Der Profolk-Sampler bietet die Gelegenheit einer Reise durch das Land und durch die Zeiten. Man hört Alemannisch, Niederdeutsch, Mittelniederdeutsch oder Moselfränkisch – Sprachen, die für die meisten schwer zu verstehen sind, die jedoch ganz persönlichen Ausdruck vermitteln – die Künstler singen in „ihrer“ Sprache, mit der Mentalität „ihrer“ Region zu Dingen „Ihres“ Lebens.                     Ralf Gehler

Die CD ist ab 1.März 2016 erhältlich unter: www.bluebird-shop.de und natürlich bei allen Infoständen des Vereins auf den Festivals der kommenden Saison!

   
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